Montag, 14. Dezember 2015

Im Interview bei Sockshype



Statt Plastik – Jutta Grimm im Interview bei sockshype über Vermeidung von Wegwerf-Plastik



Liebe Jutta, stellst du dich den sockshype-Lesern kurz vor.
Ich bin Jahrgang ’62 und lebe mit Mann und bis zu 4 Kindern (je nachdem, wer gerade zuhause ist oder nicht) in einem gemütlichen Holzhaus direkt am Wald. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit den Themen Umweltschutz und gesunde Ernährung. Ich habe Ernährungstechnik studiert und habe u.a. bei der Zeitschrift „Schrot & Korn“ gearbeitet und im pala-Verlag Bücher über gesunde Ernährung veröffentlicht. Mittlerweile ist auch noch ganz stark das Thema „Kreativ sein“ dazu gekommen. Über all das schreibe ich seit 3 Jahren auf meinem Blog Grimmskram.


Was war für dich der Auslöser, dich mit Alternativen zu Wegwerf-Plastik zu beschäftigen?
In Zeitungen, Zeitschriften und im Internet bin ich immer öfter auf die Auswirkungen von Plastik auf unsere Gesundheit und die Umwelt gestoßen. Das hat mir Angst gemacht und ich wollte selbst aktiv werden, um dieses Gefühl von Ohnmacht los zu werden. Deshalb habe ich überlegt, was kann ich oder jeder Einzelne gegen die Plastikschwemme tun? Ich halte es da mit Gandhi: „Ein Gramm Handeln ist mehr wert als eine Tonne der Predigt.“ Wenn man aktiv werden kann, beginnt immer auch ein Umdenken. Deshalb habe ich ein Kreativbuch geschrieben, in dem sicher jeder etwas für sich findet, um Plastik zu vermeiden.



In deinem Buch hast du ausführlich erläutert, weshalb die Menschen Plastik einsparen müssen. Kannst du uns ganz kurz einige Gründe nennen?
Zum einen hat die Verwendung von Plastik Auswirkungen direkt auf unsere Gesundheit. Aus dem Plastik können Weichmacher (Phtalate), Bisphenol A oder Acetaldehyd direkt in unseren Körper übergehen. Diese Stoffe sind krebserregend, hormonverändernd und nervenschädigend. Wenn man bedenkt, wie viele unserer Lebens- und Gebrauchsmittel aus Plastik sind, ist das schon erschreckend!
Zum andern sind die Auswirkungen auf unsere Umwelt katastrophal. Plastik ist nicht biologisch abbaubar, eine Plastikflasche hat beispielsweise eine Lebensdauer von über 400 Jahren. Seit Jahrzehnten gelangt Plastikmüll in die Meere. Mittlerweile gibt es auf den Weltmeeren Müllteppiche, die die Größe Europas haben. Für die Tiere im Meer, aber auch für die Küstenbewohner, wird der Plastikmüll zum Verhängniss. Vögel, Fische, Schildkröten und Delfine verfangen sich im Müll und verenden qualvoll. Oder sie fressen Plastik als vermeintliches Futter und sterben trotz voller Mägen an Unterernährung.

Unter dem Einfluss von Sonne, Salzwasser und den Gezeiten zersetzt sich Plastik in immer kleiner werdende Stücke. Ab einer Größe kleiner 5 Millimeter spricht man von Mikroplastik, im Fall von Verfallsprodukten von sekundärem Mikroplastik. Mikroplastik sinkt leichter auf den Meeresboden oder treibt in tieferen Schichten. Diesen Untersuchungen zufolge gibt es sechsmal so viel Mikroplastik-Teilchen wie Plankton im Meer.

Mikroplastik dient dann Fischen und anderen Planktonfressern als Nahrung. Auf der Nordseeinsel Juist wurden in allen untersuchten Muscheln, Austern, im Kot von Seemöwen und Seehunden, in Kegelrobben und in Schweinswalen Mikroplastikteile nachgewiesen. Aber auch in Honigproben von Bienen und in Flüssen und Seen weltweit, überall kann Mikroplastik gefunden werden. Wie gravierend die Auswirkungen davon sind, ist noch gar nicht absehbar.


Du hast in „Statt Plastik“ 60 verschiedene Möglichkeiten aufgeführt, um Plastikteile im Alltag zu ersetzen. Dabei sollten die Menschen, die den einen oder anderen Vorschlag aufnehmen möchten, Spaß am Selbermachen haben.
Was erwartet den Leser deines Buches und welche Kenntnisse sind erforderlich?
Mein Buch ist ein Kreativbuch, das Alternativen zu Plastik aufzeigen möchte. Alles ist zum Nachmachen, die Anleitungen sind detailliert geschrieben und noch mit Zeichnungen ergänzt. Das Buch ist in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt:
Einkauf: Taschen aller Art, vom Brotbeutel, Gemüsebeutel über das gehäkelte Einkaufsnetz bis hin zur Tasche für den Fahrradkorb
Bad: Shampoo, Rasiercreme, Deostick, Zahnpflegemittel, gehäkelter Badeschwamm usw.
Wäsche: verschiedene Waschmittel, Fleckenstift, Trocknerbälle



Haushalt: beispielsweise Spülmittel, Mittel für die Spülmaschine, Bienenwachs-Wrap als Ersatz für Klarsichtfolie, Joghurtbereiter, Lunchbag und vieles mehr.


Baby: gestrickte und genähte Windelhöschen, Babypflegeprodukte usw.


In dem Buch wird gehäkelt, gestrickt, genäht, gefaltet, gerührt und gemixt. Besondere Vorkenntnisse sind erst einmal nicht erforderlich. Milchprodukte selber machen kann jeder. Es gibt einige wenige Dinge, wie beispielsweise das genähte Windelhöschen, da sind Grundkenntnisse im Nähen von Vorteil.


Du hast nicht nur in einem Buch Ideen zur Plastikvermeidung gesammelt, sondern verwendest sie auch in deinem alltäglichen Leben. Dabei hast du ja mit Mann und vier Kindern eine große Familie. Ist es nicht schwer, ein Leben mit reduzierter Plastiknutzung umzusetzen?
Nein, wir haben mittlerweile ganz viel in unseren Alltag übernommen und nutzen es ganz selbstverständlich. Viele Dinge sind ja auch, ähnlich wie ihre Plastikverwandten, nur eben selbst gemacht und plastikfrei. Das Spülmittel z.B. setze ich in großen Mengen an und fülle es dann bedarfsgerecht ab. Das macht dann beim Gebrauch gar keinen Unterschied.
Wir hatten nie den Anspruch, von jetzt auf gleich zu 100 Prozent auf Plastik zu verzichten. Das würde einfach nicht in unseren oft hektischen Alltag passen. Wir sparen da, wo wir können, Plastik ein. Und wir legen mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Und siehe da, es entwickelt sich. Immer öfter nutzen wir Alternativen. Ich sehe hier eine sehr positive Entwicklung.


Hast du einen tollen Vorschlag für die sockshype-Leser (zum Nähen, Stricken oder Häkeln), die sich langsam an das Thema „Statt Plastik“ herantasten möchten? Womit kann jeder ganz einfach etwas machen, um Kunststoffe zu vermeiden?
Beim Einkaufen stellt man tagtäglich die Weichen, wie viel Kunststoff man mit nach Hause nimmt. Kauft man die Äpfel lose oder in einer Hartschaumschale eingeschweißt in Folie, die Milch im Tetra-Pack oder in der Glasflasche, den Käse dreimal verpackt oder an der Käsetheke? Hier kann man sich schon gezielt gegen Plastik entscheiden.

Das Obst in der Obstabteilung könnte man beispielsweise in selbst genähte Gemüsebeuteln aus Tüll füllen.  Da spart man schon mal die Tüte. Milchprodukte, die oft in Plastikbechern angeboten werden, kann man leicht zuhause selbst machen. Und wenn man doch mal wieder mehr eingekauft hat, als geplant, hilft der Furoshiki-Gurt aus der Handtasche aus, um die Plastiktüte zu vermeiden. Das und vieles mehr stelle ich in meinem Buch vor.

Liebe Jutta, vielen Dank für das schöne Interview.
Während meiner Vorbereitung zum Interview habe ich festgestellt, dass Plastik auch in meinem Haushalt zu Hauf vorhanden ist. Einiges ist nützlich und ich möchte es nicht missen, aber gerade bei Verpackungen kann ich auf so manches verzichten. Ich bin jedenfalls dabei und werde meinen Beitrag dazu leisten, den Einwegplastikverbrauch zu reduzieren. Ich fange dann mal mit einem bunten, selbstgehäkelten Einkaufsnetz nach der Anleitung von Jutta an.
Übrigens: Jutta Grimm hat außer „Statt Plastik“ noch weitere Bücher geschrieben. Vielleicht kennt ihr das Buch „Zauberhafte Girlanden selbstgemacht“ oder „Vegetarisch grillen“, “Brotaufstriche selbst gemacht“, „Vollwert-Muffins“ und „Vollwert-Naschereien“?
Außerdem betreibt sie den tollen Blog Grimmskram. Hier schreibt sie regelmäßig über Alltägliches und Kreatives und manchmal auch über „Statt Plastik“.


Das Interview führte Barbara Angilowski von sockshype . Hier finden Sie viele schöne und kreative Anleitungen und Anregungen.  Ein Besuch der Seite lohnt sich!

Montag, 2. November 2015

Warum "Statt Plastik"?

Plastik umgibt uns überall, wir nehmen es meist schon gar nicht mehr wahr, so selbstverständlich ist es. Klar, die Plastiktüte kennt man. Und die Folien, Becher und Behältnisse, in denen unsere Lebensmittel im Laden verpackt liegen. Aber auch Bekleidung, Kinderspielzeug, der Lichtschalter, Kosmetik, das Handy, die Zahnbürste, tatsächlich ein Großteil dessen, was unseren Alltag ausmacht, ist aus Plastik. Dabei sehen wir es oft gar nicht auf den ersten Blick. Auch die Milchflasche aus Glas hat im Deckel eine Beschichtung aus Plastik. Und das Duschgel, klar aus der Plastikflasche, enthält Plastik in Form von Mikroplastik-Perlen. Gehen Sie einmal ganz bewusst durchs Haus und gucken, was alles Plastik enthält. Sie werden erstaunt sein! Wir sind im Plastikzeitalter angekommen.













So praktisch Plastik heutzutage für uns ist, die negativen Auswirkungen für uns und die Umwelt sind enorm und in ihrem ganzen Ausmaß noch nicht erkennbar. So enthalten einige Plastiksorten sogenannte Weichmacher. Das sind chemische Stoffe, die als Zusatzstoff vor allem spröde Kunststoffe weicher und elastischer machen. Weich-PVC besteht zu 10 bis 50 Prozent aus Weichmachern. Die am häufigsten verwendeten Weichmacher sind die Phthalate. Das Problem ist, dass sich diese Stoffe mit der Zeit aus dem Weich-PVC herauslösen – durch Abrieb, Ausdampfen, Auswaschen. Aufgrund des allgegenwärtigen Einsatzes dürfte fast jeder Mensch Phthalate und ihre Abbauprodukte im Körper haben. Sie werden nicht nur eingeatmet (Ausdampfen) oder oral (Nahrung, Medikamente, Nuckeln bei Kleinkindern) aufgenommen, sondern gelangen auch über die Haut (direkter Kontakt, Kosmetik) ins Blut. Einige Phthalate sind hormonell wirksam und können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Andere stehen im Verdacht, sich in Lebewesen anzureichern und auch im Boden sehr langlebig zu sein. Leider werden Phthalate immer wieder auch für Produkte für besonders empfindliche Menschen verwendet, zum Beispiel in Buntstiften, Radiergummis, Spielzeug oder medizinischen Gegenständen wie Infusionsbeuteln und Dialysebeuteln, Handschuhen oder Hilfsstoffen für Medikamente.

Foto: D. Probst
Ein weiteres Problem: Plastik ist in der Regel nicht biologisch abbaubar. Eine Plastikflasche hat schätzungsweise eine Lebensdauer von über 400 Jahren. Seit Jahrzehnten gelangt Plastikmüll in die Umwelt und landet irgendwann in den Flüssen und Seen und letztendlich im Meer. Auch auf den Meeren selbst fällt Plastikmüll an, zum Beispiel durch illegale Müllverklappung oder sogenannte Geisternetze aus der Fischerei. Die Menge ist von Jahr zu Jahr gestiegen, jährlich sollen es weltweit bereits über 10 Millionen Tonnen Plastikmüll sein. Unklar ist, ob es nicht viel mehr ist, weil ein Teil des Plastikmülls auf den Meeresboden sinkt und damit mengenmäßig aus dem Blickfeld der Forscher gerät. Seit Jahrzehnten gibt es auf den Weltmeeren durch Strömungen angesammelte Müllteppiche, hauptsächlich aus Plastikmüll, der größte mittlerweile etwa so groß wie Westeuropa.

Plastik und Plastikmüll sind schier überall. Angesichts der Größe des Problems fühlt man sich als Einzelner mitunter ohnmächtig. Und genau da will dieses Buch ansetzen: Ich möchte Ihnen Anregungen für (weitgehend) plastikfreie Alternativen geben. Die Produkte sind alltagstauglich und schön. Und die Rezepte sind einfach gehalten und können leicht und ohne allzu großen Aufwand nachgearbeitet werden.

Nicht alles kann selbst gemacht werden. Deshalb mein Tipp: Gehen Sie mit offenen Augen durch den Alltag und erkennen Sie, wo Sie überall Plastik nutzen. Schauen Sie, wo Sie Plastik vermeiden können und wo es unabdingbar ist. Den radikalen Schritt, gleich das ganze Leben weitgehend plastikfrei zu machen, wird kaum jemand gehen wollen und können. Dagegen wird es in einigen Bereichen leichtfallen, ohne Plastik auszukommen. Das ist dann schon mal ein Anfang. Sie werden sehen, je mehr Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, desto mehr Möglichkeiten zum Einsparen von Plastik werden Sie finden. Auf Plastik zu verzichten, kann eine Bereicherung sein. Und wenn viele etwas tun, ist das schon eine Bewegung.

Es gibt gute Gründe, Plastik einzusparen:
- um selbst möglichst gesund zu bleiben,
- um die Umwelt sauber zu halten,
- um weniger Müll zu produzieren,
- um Ressourcen zu schonen.
Fangen Sie gleich heute damit an. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei!