Statt Plastik – Jutta Grimm im Interview bei sockshype über Vermeidung von Wegwerf-Plastik
Liebe Jutta, stellst du dich den sockshype-Lesern kurz vor.
Ich bin Jahrgang ’62 und lebe mit Mann und bis zu 4 Kindern (je nachdem, wer gerade zuhause ist oder nicht) in einem gemütlichen Holzhaus direkt am Wald. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit den Themen Umweltschutz und gesunde Ernährung. Ich habe Ernährungstechnik studiert und habe u.a. bei der Zeitschrift „Schrot & Korn“ gearbeitet und im pala-Verlag Bücher über gesunde Ernährung veröffentlicht. Mittlerweile ist auch noch ganz stark das Thema „Kreativ sein“ dazu gekommen. Über all das schreibe ich seit 3 Jahren auf meinem Blog Grimmskram.
Was war für dich der Auslöser, dich mit Alternativen zu Wegwerf-Plastik zu beschäftigen?
In Zeitungen, Zeitschriften und im Internet bin ich immer öfter auf die Auswirkungen von Plastik auf unsere Gesundheit und die Umwelt gestoßen. Das hat mir Angst gemacht und ich wollte selbst aktiv werden, um dieses Gefühl von Ohnmacht los zu werden. Deshalb habe ich überlegt, was kann ich oder jeder Einzelne gegen die Plastikschwemme tun? Ich halte es da mit Gandhi: „Ein Gramm Handeln ist mehr wert als eine Tonne der Predigt.“ Wenn man aktiv werden kann, beginnt immer auch ein Umdenken. Deshalb habe ich ein Kreativbuch geschrieben, in dem sicher jeder etwas für sich findet, um Plastik zu vermeiden.
In deinem Buch hast du ausführlich erläutert, weshalb die Menschen Plastik einsparen müssen. Kannst du uns ganz kurz einige Gründe nennen?
Zum einen hat die Verwendung von Plastik Auswirkungen direkt auf unsere Gesundheit. Aus dem Plastik können Weichmacher (Phtalate), Bisphenol A oder Acetaldehyd direkt in unseren Körper übergehen. Diese Stoffe sind krebserregend, hormonverändernd und nervenschädigend. Wenn man bedenkt, wie viele unserer Lebens- und Gebrauchsmittel aus Plastik sind, ist das schon erschreckend!
Zum andern sind die Auswirkungen auf unsere Umwelt katastrophal. Plastik ist nicht biologisch abbaubar, eine Plastikflasche hat beispielsweise eine Lebensdauer von über 400 Jahren. Seit Jahrzehnten gelangt Plastikmüll in die Meere. Mittlerweile gibt es auf den Weltmeeren Müllteppiche, die die Größe Europas haben. Für die Tiere im Meer, aber auch für die Küstenbewohner, wird der Plastikmüll zum Verhängniss. Vögel, Fische, Schildkröten und Delfine verfangen sich im Müll und verenden qualvoll. Oder sie fressen Plastik als vermeintliches Futter und sterben trotz voller Mägen an Unterernährung.
Unter dem Einfluss von Sonne, Salzwasser und den Gezeiten zersetzt sich Plastik in immer kleiner werdende Stücke. Ab einer Größe kleiner 5 Millimeter spricht man von Mikroplastik, im Fall von Verfallsprodukten von sekundärem Mikroplastik. Mikroplastik sinkt leichter auf den Meeresboden oder treibt in tieferen Schichten. Diesen Untersuchungen zufolge gibt es sechsmal so viel Mikroplastik-Teilchen wie Plankton im Meer.
Mikroplastik dient dann Fischen und anderen Planktonfressern als Nahrung. Auf der Nordseeinsel Juist wurden in allen untersuchten Muscheln, Austern, im Kot von Seemöwen und Seehunden, in Kegelrobben und in Schweinswalen Mikroplastikteile nachgewiesen. Aber auch in Honigproben von Bienen und in Flüssen und Seen weltweit, überall kann Mikroplastik gefunden werden. Wie gravierend die Auswirkungen davon sind, ist noch gar nicht absehbar.
Du hast in „Statt Plastik“ 60 verschiedene Möglichkeiten aufgeführt, um Plastikteile im Alltag zu ersetzen. Dabei sollten die Menschen, die den einen oder anderen Vorschlag aufnehmen möchten, Spaß am Selbermachen haben.
Was erwartet den Leser deines Buches und welche Kenntnisse sind erforderlich?
Mein Buch ist ein Kreativbuch, das Alternativen zu Plastik aufzeigen möchte. Alles ist zum Nachmachen, die Anleitungen sind detailliert geschrieben und noch mit Zeichnungen ergänzt. Das Buch ist in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt:
Einkauf: Taschen aller Art, vom Brotbeutel, Gemüsebeutel über das gehäkelte Einkaufsnetz bis hin zur Tasche für den Fahrradkorb
Bad: Shampoo, Rasiercreme, Deostick, Zahnpflegemittel, gehäkelter Badeschwamm usw.
Wäsche: verschiedene Waschmittel, Fleckenstift, Trocknerbälle
Haushalt: beispielsweise Spülmittel, Mittel für die Spülmaschine, Bienenwachs-Wrap als Ersatz für Klarsichtfolie, Joghurtbereiter, Lunchbag und vieles mehr.
Baby: gestrickte und genähte Windelhöschen, Babypflegeprodukte usw.
In dem Buch wird gehäkelt, gestrickt, genäht, gefaltet, gerührt und gemixt. Besondere Vorkenntnisse sind erst einmal nicht erforderlich. Milchprodukte selber machen kann jeder. Es gibt einige wenige Dinge, wie beispielsweise das genähte Windelhöschen, da sind Grundkenntnisse im Nähen von Vorteil.
Du hast nicht nur in einem Buch Ideen zur Plastikvermeidung gesammelt, sondern verwendest sie auch in deinem alltäglichen Leben. Dabei hast du ja mit Mann und vier Kindern eine große Familie. Ist es nicht schwer, ein Leben mit reduzierter Plastiknutzung umzusetzen?
Nein, wir haben mittlerweile ganz viel in unseren Alltag übernommen und nutzen es ganz selbstverständlich. Viele Dinge sind ja auch, ähnlich wie ihre Plastikverwandten, nur eben selbst gemacht und plastikfrei. Das Spülmittel z.B. setze ich in großen Mengen an und fülle es dann bedarfsgerecht ab. Das macht dann beim Gebrauch gar keinen Unterschied.
Wir hatten nie den Anspruch, von jetzt auf gleich zu 100 Prozent auf Plastik zu verzichten. Das würde einfach nicht in unseren oft hektischen Alltag passen. Wir sparen da, wo wir können, Plastik ein. Und wir legen mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Und siehe da, es entwickelt sich. Immer öfter nutzen wir Alternativen. Ich sehe hier eine sehr positive Entwicklung.
Hast du einen tollen Vorschlag für die sockshype-Leser (zum Nähen, Stricken oder Häkeln), die sich langsam an das Thema „Statt Plastik“ herantasten möchten? Womit kann jeder ganz einfach etwas machen, um Kunststoffe zu vermeiden?
Beim Einkaufen stellt man tagtäglich die Weichen, wie viel Kunststoff man mit nach Hause nimmt. Kauft man die Äpfel lose oder in einer Hartschaumschale eingeschweißt in Folie, die Milch im Tetra-Pack oder in der Glasflasche, den Käse dreimal verpackt oder an der Käsetheke? Hier kann man sich schon gezielt gegen Plastik entscheiden.
Das Obst in der Obstabteilung könnte man beispielsweise in selbst genähte Gemüsebeuteln aus Tüll füllen. Da spart man schon mal die Tüte. Milchprodukte, die oft in Plastikbechern angeboten werden, kann man leicht zuhause selbst machen. Und wenn man doch mal wieder mehr eingekauft hat, als geplant, hilft der Furoshiki-Gurt aus der Handtasche aus, um die Plastiktüte zu vermeiden. Das und vieles mehr stelle ich in meinem Buch vor.
Liebe Jutta, vielen Dank für das schöne Interview.
Während meiner Vorbereitung zum Interview habe ich festgestellt, dass Plastik auch in meinem Haushalt zu Hauf vorhanden ist. Einiges ist nützlich und ich möchte es nicht missen, aber gerade bei Verpackungen kann ich auf so manches verzichten. Ich bin jedenfalls dabei und werde meinen Beitrag dazu leisten, den Einwegplastikverbrauch zu reduzieren. Ich fange dann mal mit einem bunten, selbstgehäkelten Einkaufsnetz nach der Anleitung von Jutta an.
Übrigens: Jutta Grimm hat außer „Statt Plastik“ noch weitere Bücher geschrieben. Vielleicht kennt ihr das Buch „Zauberhafte Girlanden selbstgemacht“ oder „Vegetarisch grillen“, “Brotaufstriche selbst gemacht“, „Vollwert-Muffins“ und „Vollwert-Naschereien“?
Außerdem betreibt sie den tollen Blog Grimmskram. Hier schreibt sie regelmäßig über Alltägliches und Kreatives und manchmal auch über „Statt Plastik“.
Das Interview führte Barbara Angilowski von sockshype . Hier finden Sie viele schöne und kreative Anleitungen und Anregungen. Ein Besuch der Seite lohnt sich!